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Proprietär vs. Open Source

welche Software passt zu meiner Organisation?

Proprietäre vs. Open-Source-Software: Ein technischer Vergleich

In der Softwarewelt treffen zwei große Lager aufeinander: Die Anhänger proprietärer Software, deren Anbieter wie Microsoft, Google und Adobe mit Cloud-basierten Abonnements die digitale Infrastruktur vieler Unternehmen prägen, und die Verfechter offener Open-Source-Lösungen.

Beide Seiten haben ihre Vorzüge und Herausforderungen. Auch ich nutze proprietäre Software – schließlich gibt es gute Gründe dafür – doch immer mehr zieht es mich in die Welt der Open Source.

Denn auch ich habe mich der Frage gestellt: 

Will ich Eigentümer meiner Software sein oder nur Mieter im Ökosystem anderer?

Viele Organisationen stehen heute vor genau diesem Spannungsfeld zwischen Komfort und Kontrolle, zwischen proprietären Komplettlösungen und offenen, selbstbestimmten Alternativen. Besonders seit der DSGVO, der Debatte um den CLOUD Act und Urteilen wie Schrems II ist diese Frage nicht mehr nur ideologisch – sie ist rechtlich und operativ relevant geworden.

Lassen Sie uns die wesentlichen Unterschiede betrachten.

Definitionen: Was genau bedeutet „proprietär“ – und was „Open Source“?

Proprietäre Software bezeichnet Anwendungen, deren Quellcode geschlossen und somit nicht öffentlich zugänglich ist. Sie wird in der Regel kostenpflichtig lizenziert, und die Nutzung ist an strikte Bedingungen des Herstellers gebunden – Bedingungen, die manchmal so umfangreich sind, dass man sich fragt, worauf man sich da genau einlässt.

Beispiele sind Microsoft Windows, Adobe Photoshop, etc. - bewährte Lösungen, die uns oft das Leben erleichtern, aber auch ihre eigenen Einschränkungen mit sich bringen. Beispielsweise darf die Software in der Regel nicht verändert oder eigenständig verteilt werden.

Open-Source-Software hingegen ist quelloffen, kann frei modifiziert, selbst gehostet und weiterverbreitet werden. Man kann sie sich vorstellen wie ein offenes Buch, das jeder lesen, bearbeiten, selbst betreiben und weitergeben darf.

Hier finden wir Lösungen wie Linux, Python, etc. – die Werkzeuge, die es Entwicklern ermöglichen, kreativ zu sein und Anpassungen vorzunehmen. Es ist ein Raum, in dem jeder seine Ideen einbringen kann, ohne auf die Genehmigung eines Herstellers warten zu müssen.

Warum sich viele für proprietäre Software entscheiden

Trotz der Einschränkungen entscheiden sich unzählige Unternehmen und Einzelpersonen weiterhin ganz bewusst für proprietäre Software – und das nicht ohne Grund.

Proprietäre Lösungen bieten oft ein hohes Maß an Benutzerfreundlichkeit, eine durchgängige Integration zwischen verschiedenen Tools und eine professionelle Kundenbetreuung, auf die sich insbesondere größere Organisationen verlassen. Wer einmal mit der engen Verzahnung von Microsoft 365 gearbeitet hat – vom Outlook-Kalender über Teams bis zu SharePoint – erkennt schnell den Wert reibungslos ineinandergreifender Systeme.

Auch Verlässlichkeit und Haftung sind wichtige Faktoren: Kommerzielle Software wird häufig von Unternehmen mit klar definierten Zuständigkeiten, Service-Level-Agreements (SLAs) und Supportteams angeboten, die im Notfall rund um die Uhr erreichbar sind. Im Vergleich dazu wirkt die Welt von GitHub-Issues und Community-Foren manchmal wie ein wilder Westen.

Und dann ist da noch die Innovationskraft, die durch die enormen finanziellen Ressourcen großer Softwareunternehmen ermöglicht wird. Funktionen wie KI-gestützte Tools in der Adobe Cloud oder automatisierte Sicherheitsprüfungen in Google Workspace zeigen, wie schnell Innovation in kommerziellen Ökosystemen vorangetrieben werden kann.

Kurz gesagt: Proprietäre Software verkauft nicht nur ein Produkt – sie verkauft ein Paket aus Komfort, Sicherheit und Produktivität. Doch genau dieses Paket kann auch zur Falle werden.

Die Stärken von Open-Source-Software: Freiheit und Kontrolle neu gedacht

Im Gegensatz zur proprietären Software steht bei Open Source die Transparenz im Mittelpunkt. Der Quellcode ist offen für alle, sodass Nutzer und Entwickler genau nachvollziehen können, wie die Software funktioniert – oder ob sie potenzielle Sicherheitslücken oder Datenschutzrisiken birgt. Das schafft ein hohes Maß an Vertrauen und die Möglichkeit zur eigenen Kontrolle.

Darüber hinaus ermöglicht Open Source eine außergewöhnliche Flexibilität: Organisationen können Software nicht nur an ihre individuellen Bedürfnisse anpassen, sondern auch selbst betreiben – unabhängig von großen Anbietern.. Das bedeutet Unabhängigkeit von großen Cloud-Anbietern – ein entscheidender Vorteil im Hinblick auf Datenhoheit und Compliance.

Auch wirtschaftlich ist Open Source attraktiv: Die Lösungen sind in der Regel kostenlos verfügbar, ohne teure Lizenzgebühren. Natürlich entstehen Kosten für Anpassung, Support oder Hosting - doch der Wegfall laufender Lizenzkosten senkt gerade für kleine und mittlere Unternehmen die Einstiegshürde erheblich.

Ein weiterer zentraler Vorteil ist die Innovationskraft der Open-Source-Community. Viele der bedeutendsten technologischen Entwicklungen der letzten Jahre haben ihren Ursprung in offenen Projekten: Container-Technologien wie Docker und Kubernetes, KI-Frameworks wie TensorFlow oder PyTorch, Webstandards wie Node.js oder React. Diese Innovationen entstehen nicht trotz fehlender Finanzierung, sondern gerade durch gemeinschaftliche Entwicklung, Offenheit und echten Bedarf aus der Praxis.

Nicht zuletzt lebt Open Source von einer engagierten Community, in der weltweit Entwicklerinnen und Entwickler zusammenarbeiten, voneinander lernen und kontinuierlich neue Impulse setzen. Diese kollaborative Dynamik führt nicht selten dazu, dass Open-Source-Projekte schneller auf neue Anforderungen reagieren als etablierte Anbieter.

Open Source ist damit weit mehr als nur ein technisches Modell – es ist eine Haltung zu Freiheit, Selbstbestimmung und nachhaltiger Entwicklung.

Rechtliche und politische Dimension: Datenschutz und Datenhoheit im Fokus

In den letzten Jahren ist die Diskussion um Softwarewahl längst über technische und wirtschaftliche Aspekte hinausgewachsen. Die Frage, wo und wie Daten verarbeitet werden, ist zu einer zentralen rechtlichen und politischen Herausforderung geworden.

Die DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) verlangt von Unternehmen einen sorgfältigen Umgang mit personenbezogenen Daten. Das betrifft nicht nur die Datensicherheit, sondern auch die Frage, ob und wie Daten außerhalb der EU verarbeitet werden dürfen. Hier wird die Herkunft und der Standort der Server, auf denen Software läuft oder Daten gespeichert sind, zu einem entscheidenden Faktor.

Im Kontext proprietärer Cloud-Dienste wie Microsoft 365 oder Google Workspace führt dies zu Problemen: Dienste und Daten liegen oft in Rechenzentren weltweit, manche auch in den USA. Das eröffnet Behörden durch Gesetze wie den CLOUD Act theoretisch Zugriff auf Daten – unabhängig vom Standort des Unternehmens. Dieses Szenario wurde durch das Urteil Schrems II des Europäischen Gerichtshofs nochmals verschärft, da es den Datenschutzstandard von US-Diensten als nicht ausreichend einstufte.

Open-Source-Software bietet hier Vorteile, weil sie meist unabhängig von bestimmten Anbietern eingesetzt werden kann und häufig selbst gehostet wird. So behalten Unternehmen die volle Kontrolle über den Standort und die Verarbeitung ihrer Daten – ein Aspekt, der gerade für Branchen mit hohen Compliance-Anforderungen (etwa Gesundheitswesen, öffentliche Verwaltung oder Finanzsektor) entscheidend ist.

Nichtsdestotrotz müssen auch Open-Source-Nutzer sicherstellen, dass sie ihre Systeme rechtlich sauber aufsetzen und betreiben – Datenschutz ist kein Automatismus, sondern eine dauerhafte Aufgabe.

Dieses Spannungsfeld zwischen Komfort, Kontrolle und Compliance macht die Softwarewahl heute komplexer denn je – und erfordert von Entscheidungsträgern ein tiefes Verständnis für technische, rechtliche und politische Rahmenbedingungen.

Herausforderungen beider Ansätze: Wo Stolpersteine liegen

So verlockend die Vorteile von proprietärer und Open-Source-Software auch sind – keine Lösung ist perfekt. Auch ich habe in meiner Praxis immer wieder die Schattenseiten beider Welten erlebt.

Bei proprietärer Software stehen vor allem die Abhängigkeiten im Vordergrund. Unternehmen werden oft zu „Mietern“ eines Ökosystems, das sie kaum verlassen können, ohne großen Aufwand oder Datenverlust. Die Kosten für Lizenzen und Updates können mit der Zeit erheblich steigen und werden häufig zu einem festen, wenn nicht sogar wachsenden Posten im IT-Budget. Hinzu kommen ernstzunehmende Datenschutzbedenken: Wenn Daten in großen Cloud-Systemen von Microsoft, Google oder anderen externen Anbietern liegen, stellt sich die Frage nach der Kontrolle und dem Schutz der eigenen Informationen – gerade in Zeiten von DSGVO, Schrems II und globalen Datenzugriffsrechten.

Open-Source-Software ist hingegen kein „kostenloses“ Rundum-sorglos-Paket. Oft fehlt der formale Support, wie man ihn von kommerziellen Anbietern kennt. Zwar gibt es aktive Communities, doch auf schnelle, verbindliche Hilfe kann man nicht immer zählen. Für Unternehmen heißt das, dass sie entweder eigenes Know-how aufbauen oder externen Support einkaufen müssen – was wiederum Kosten und Aufwand bedeutet. Der Wartungsaufwand für Updates, Sicherheitspatches und Anpassungen liegt oft beim Nutzer selbst. Und nicht zuletzt sind viele Open-Source-Projekte nicht selten weniger einsteigerfreundlich, was die Akzeptanz bei weniger technikaffinen Mitarbeitenden erschweren kann.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Wahl ist selten schwarz-weiß. Es geht darum, die jeweiligen Herausforderungen bewusst einzuplanen und mit klarem Blick abzuwägen, welche Kompromisse akzeptabel sind – denn Komfort hat eben seinen Preis, und Freiheit erfordert Verantwortung.

Open Source in der Praxis: Wo Freiheiten gelebt werden

Open-Source-Software ist längst kein Nischenphänomen mehr. Weltweit setzen Unternehmen, Behörden und Institutionen auf quelloffene Lösungen – und zeigen damit, dass Open Source nicht nur eine technische, sondern auch eine strategische Entscheidung ist.

Linux ist wohl das bekannteste Beispiel: Es betreibt einen Großteil der Webserver, Cloud-Infrastrukturen und sogar viele Smartphones (Android basiert darauf). Unternehmen wie IBM, Google und Facebook investieren massiv in die Weiterentwicklung von Open-Source-Projekten, weil sie wissen, wie wichtig die Kontrolle über ihre Systeme ist.

Auch im Büroalltag gewinnen Tools wie Odoo (ERP-System), Nextcloud (für Cloud-Speicher und Kollaboration) oder ONLYOFFICE (als freie Office-Suite) immer mehr Anhänger, die unabhängig von großen Anbietern arbeiten wollen. Die Bundesregierung in Deutschland hat beispielsweise mit ihrer Open-Source-Strategie eine klare Linie vorgegeben, um digitale Souveränität zu stärken.

Nicht selten kombinieren Organisationen heute hybride Ansätze: Sie nutzen proprietäre Software für bestimmte Kernprozesse, setzen aber daneben auf Open-Source-Lösungen, um Flexibilität und Kontrolle zurückzugewinnen. Dabei kann die Integration von Open Source mit kommerziellem Support (etwa durch spezialisierte Dienstleister) viele der genannten Herausforderungen abfedern.

Kurz gesagt: Open Source ist praktisch, vielseitig und auf dem Vormarsch – gerade für alle, die nicht nur Software nutzen, sondern sie wirklich besitzen und gestalten wollen.

Persönliche Reflexion: Mein Weg zwischen Freiheit und Komfort

Auch ich stelle mich regelmäßig der Frage, welche Software am besten zu meinen Bedürfnissen und Werten passt. Dabei habe ich gelernt: Die perfekte Lösung gibt es selten.

Proprietäre Software nutze ich nach wie vor, vor allem dann, wenn es um Komfort, Integration und schnelle Ergebnisse geht. Gerade im beruflichen Alltag schätze ich die Verlässlichkeit und den Support, den etablierte Anbieter bieten.

Gleichzeitig zieht es mich immer mehr in die Welt der Open Source. Die Möglichkeit, Software wirklich zu besitzen, sie zu verstehen und anzupassen, gibt mir ein Gefühl von Kontrolle und Freiheit, das ich nicht mehr missen möchte. Gerade in Zeiten, in denen Datenschutz und digitale Souveränität so wichtig sind, wird mir bewusst, wie viel Wert diese Unabhängigkeit hat.

Es geht nicht um „entweder – oder“, sondern um ein bewusstes „sowohl – als auch“. Ein bewusster, reflektierter Umgang mit Software kann helfen, die Vorteile beider Welten zu nutzen und gleichzeitig deren Herausforderungen zu meistern.

Fazit: Freiheit oder Komfort – oder beides?

Die Entscheidung zwischen proprietärer und Open-Source-Software ist kein starres Dogma und auch keine reine Technikfrage, sondern immer eine Frage der digitalen Strategie und des passenden Use Cases.

Komfort, Integration und Support sprechen eindeutig für proprietäre Lösungen. Gleichzeitig überzeugen Transparenz, Kontrolle und Flexibilität als starke Argumente für Open Source. Nicht jedes Unternehmen muss alles selbst hosten – doch jedes sollte sich der Risiken bewusst sein, die mit einer dauerhaften Bindung an proprietäre Cloud-Dienste einhergehen, sei es rechtlich, technisch oder finanziell.

Open Source ist längst keine „Nerd-Alternative“ mehr. Es ist eine gleichwertige, oft sogar überlegene Option – vorausgesetzt, man ist bereit, sich mit den Grundlagen auseinanderzusetzen.

Mein Appell: Wählen Sie bewusst – mit vollem Bewusstsein für Ihre eigenen Anforderungen, Werte und langfristigen Ziele. Statt sich ideologisch festzulegen, lohnt es sich, die Vorteile beider Welten zu kombinieren und so einen individuellen, nachhaltigen Software-Mix zu schaffen.

Denn am Ende geht es nicht darum, entweder komplett Eigentümer oder nur Mieter im Software-Ökosystem zu sein – sondern darum, selbstbestimmt und informiert die Freiheit und den Komfort zu nutzen, die moderne Software heute bietet.

Zur besseren Orientierung hier eine kurze Gegenüberstellung, die Ihnen hilft, den passenden Weg für Ihre Anforderungen zu finden.

Frage

Proprietär (z. B. Microsoft)Open Source (z. B. ONLYOFFICE, ...)
Schneller Einstieg✅ Ja❌ ggf. komplexerer Setup
DSGVO-konform bei Cloud-Nutzung❌ Eingeschränkt✅ Bei Selfhosting
Volle Datenkontrolle❌ Nein✅ Ja
Funktionsvielfalt out of the box✅ Hoch⚠️ variiert je nach Lösung
Anpassbarkeit❌ Eingeschränkt✅ Hoch
Vendor Lock-in vermeiden❌ Nein✅ Ja
Interner Aufwand (Wartung)✅ Gering❌ Höher (abhängig vom Know-how)

Ausblick

In einer kommenden Artikelreihe werde ich verschiedene Open-Source-Lösungen wie ONLYOFFICE, Bitwarden und weitere praxisnah vorstellen. Dabei zeige ich, wie diese Tools im Alltag funktionieren und wie sie sich funktional gegenüber etablierten proprietären Angeboten behaupten.


Spoiler....

Wer Open Source klug einsetzt, spart nicht nur Kosten – sondern gewinnt auch Kontrolle und Sicherheit.“

Proprietär vs. Open Source
NICO SOLUTIONS - ENGINEERING & IT, Nils Coenen 11. Juli 2025
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